Rob Bourdon (Linkin Park): Schlagzeuger am Piano
Linkin Parks jüngstes Album „One More Light“ sorgte mit ungewohnt sanften Tönen für Diskussionsstoff. Schlagzeuger Rob Bourdon sprach mit uns im Interview über seine Klavierkünste, die DNA seiner Band und welcher Song nach sieben verschiedenen Snare-Sounds verlangt.

DH!!: Rob, warum habt ihr ausgerechnet „One More Light“, einen eher ruhigen und leisen Song, als Titeltrack für euer neues Album ausgewählt?
Rob Bourdon: Wenn wir ein Album machen, ist es schwer zu sagen, welcher der Tracks der Titelsong werden wird. Wir stecken sehr viel Arbeit und Zeit in jedes Lied. Ich glaube, dass dieser Song sehr gefühlvoll ist. Musikalisch betrachtet kommt das Album nicht wirklich heavy rüber, sondern eher in einer emotionalen Art und Weise. Allerdings barg die Auswahl dieses Songs auch ein größeres Risiko. Von allen Liedern auf dem Album unterscheidet er sich vermutlich am stärksten von dem, wo wir bisher standen. Wir wollten nicht zurückrudern und einen Song nehmen, der ähnlich klingt wie die bisherigen Platten, sondern das wirklich ganz durchziehen. Auf jeden Fall reden die Leute nun darüber.
Das gesamte Werk weist große stilistische Unterschiede zum letzten Album „The Hunting Party“ auf. Wann kam euch die Idee zu dieser Kehrtwende?
Zum Ende des letzten Tour-Zyklus, also Ende 2015, haben wir uns zusammengesetzt und darüber geredet, womit wir auf dem nächsten Album gerne experimentieren würden. Dabei ging es darum, dass wir uns wirklich auf das Songwriting konzentrieren und die bestmöglichen Texte schreiben wollten, um uns mit dem Hörer verbinden zu können. Wir wussten nicht, wie diese Songs produziert werden oder wie sie klingen würden. Alle Songs auf diesem Album haben auf einer Akustikgitarre oder einem Klavier mit Gesang angefangen. Das ist eine Übung, die uns unser Produzent Rick Rubin mitgegeben hat, als wir das Album „Minutes to Midnight“ produziert haben. Er wollte, dass wir die Musik reduziert und ohne Produktion schreiben. Dadurch kann man erkennen, ob es sich um einen guten Song handelt oder nicht. Wenn man einen Hit auf dem Klavier spielt und jemand dazu singt, ist es immer noch ein großartiger Song. Er benötigt die ganze Produktion nicht. Wir haben immer versucht, uns daran zu halten, es aber nie wirklich geschafft. Wir lieben einfach das Produzieren und Mike (Shinoda, Rap) ist ein großartiger Produzent. Beim aktuellen Album haben wir es aber ernsthaft durchgezogen und nichts produziert, bevor wir die Songs fertig geschrieben hatten. Diese Herangehensweise hat die Lieder wirklich unterstützt.

Also habt ihr euer Songwriting komplett umgekrempelt?
Genau. Die Songs wurden von Gesprächen ausgehend geschrieben. Das heißt, dass wir uns darüber unterhalten haben, was gerade in unserem Leben passiert. Dadurch sind sich die Bandmitglieder sehr viel näher gekommen. Normalerweise kommen wir ins Studio und sagen: „Hey, was geht ab, lass uns Musik machen. Check mal diesen Beat oder dieses Gitarrenriff.“ Davon ausgehend haben wir ein Lied geschrieben und uns danach überlegt, wovon der Text handeln soll. Diesmal sind wir es anders herum angegangen. Das hat wirklich Spaß gemacht.
Wie kann man sich die Aufnahmen deiner Drumparts vorstellen?
Auch bei den Schlagzeugaufnahmen hat sich die Herangehensweise stark von „The Hunting Party“ unterschieden. Beim letzten Album habe ich sehr viel Zeit damit verbracht, die Songs wie für eine Live-Show zu lernen. Viele Drumparts auf „The Hunting Party“ waren One-Take-Tracks. Auf dem neuen Album habe ich während der Aufnahmen die Schlagzeugparts geschrieben. Ich habe experimentiert und mir Sachen ausgedacht. Der Song „Invisible“ wurde tatsächlich in drei verschiedenen Studios aufgenommen. Das Hi-Hat-Pattern habe ich in den legendären Village-Studios in Los Angeles eingespielt. Dann wurden viele weitere Schichten und elektronische Sounds hinzugefügt. Der Song „Sorry for Now“ beinhaltet viele Marching-Snares, die wie eine Drumline klingen. Mike hatte schon einen großen Teil davon programmiert. Im Studio habe ich die Parts von fünf oder sechs Trommlern darüber gespielt. Es war also ein experimenteller Prozess. Manche Songs wurden nicht einmal am ganzen Kit aufgenommen. Die Drums waren noch größtenteils elektronisch, als der Aufnahmeprozess schon zu etwa 75 Prozent vollendet war. Sie brauchten einfach noch mehr Leben und den Klang eines echten Raums. Also sind wir in die Sphere Studios in Los Angeles umgezogen, die einen riesigen Schlagzeugraum haben. Dort haben wir gleich zwei Drumsets aufgebaut. Die haben ein Regal voller Trommeln, das ist wahrscheinlich 15 mal sechs Meter groß. Mein Drumtech Jerry Johnson ist ein Genie in Sachen Tuning, und wir haben mit vielen verschiedenen Sachen herumgespielt. Wir haben zwei oder drei Wochen lang nur mit den Drums verbracht.
Equipment Rob Bourdon
Live | |
Drums | Gretsch American Custom 22 x 18“ Bassdrum 14 x 6,5“ Snare 10 x 8“, 12 x 9“ Racktoms 16 x 16“, 18 x 16“ Floortom |
Becken | Zildjian 14“ New Beat Hi-Hat 22“ A Custom Ride 18“ A Custom Crash 19“ A Custom Crash 20“ A Medium Thin Crash 10“ A Custom Splash 20“ Extreme China |
Felle | Remo Snare: Emperor X (Top), Clear Ambassador (Bottom) Toms: Clear Emperor (T), Clear Ambassador (B); Bassdrum: Powerstroke 3 |
Drumsticks | Vater 5B |
Hardware | Gibraltar Rack, Gibraltar DW Doppelpedale |
Elektronik | Pintech Pads, Roland Trigger, Ableton Live |
Zubehör | Butt Kicker |
Studio (Auswahl) | |
Drums | Gretsch Drop G (1981) 22“ Bassdrum 10“, 13“ Racktoms 16“, 18“ Floortom an Gauger Flex Tip Mount 14“ x 5“ Gretsch Chrome Over Brass Snare |
Zusätzliche Drums | 22“ Ludwig New Yorker Bassdrum (1965) 14“ x 6,5“ Blaemire Spun Fiberglass Snare (Vintage) 14“ x 6,5“ Tama Bell Brass Snare (1983) 14“ x 5“ Rogers Wood Snare (1968) 14“ x 6,5“ Pearl Free Floating Snare (1980er) |
Hardware | Gibraltar DW Direct Drive Hi-Hat-Maschine und Pedale |
Becken | Zildjian 14” New Beat Hi-Hat 20” K Heavy Ride 19” A Custom Crash 20” A Medium Thin Crash 10” A Custom Splash |
Felle | Remo Snare: Controlled Sound CS; Toms: Coated Ambassador (T), Smooth White Ambassador (B) Bassdrum: Clear Powerstroke III (T), Smooth White (B) |
Habt ihr für den Raumklang auch die Mikrofonierung verändert?
Wir haben mit verschiedenen Mikrofon-Positionen experimentiert. Es ging auch darum, den Raumsound einzufangen. Daher haben wir Mikrofone weit entfernt in die Ecke gestellt. Sogar elektronischen Sounds wollten wir mehr Leben einhauchen und haben sie über Lautsprecher im Aufnahmeraum abgespielt und diesen Live-Klang eingefangen.
Wodurch hast du dich für das Album inspirieren lassen?
Es gibt interessanterweise eine Sache, die ich komplett anders gemacht habe als bisher. Bevor ich mit dem Schlagzeugspielen anfing, habe ich Klavierunterricht genommen. Ich wollte einen Schritt zurück machen und besser Klavierspielen lernen. In den ersten sechs Monaten der Album-Produktion habe ich viel mehr Klavier als Schlagzeug gespielt. Ich mag es, Musik am Klavier zu schreiben. Mike und Brad (Delson, Gitarre) sind herausragende Songwriter. Ich wollte besser verstehen, was da passiert und wie die Akkordfolgen funktionieren. Am Klavier hast du eine ganz andere Koordination als am Schlagzeug, du spielst mit zehn Fingern statt mit Armen und Beinen. Das eröffnete mir also musikalisch ganz neue Koordinationsmöglichkeiten. Im Studio habe ich teilweise für drei oder vier Tage nicht Schlagzeug, sondern nur Klavier gespielt. Die Drumparts, die ich daraufhin geschrieben habe, waren ganz anders als die, die ich früher geschrieben hätte. Beim siebten Album muss man auch mal ganz neue Sachen ausprobieren.

Grooves & Licks Rob Bourdon
Linkin Parks jüngstes Werk „One More Light" weist – sowohl musikalisch als auch in Sachen Songwriting und Aufnahmeprozess – krasse Unterschiede zum Vorgängeralbum „The Hunting Party" auf. Beispielhaft für diese Entwicklung ist eine direkte Gegenüberstellung von Rob Bourdons Grooves für „Heavy" (One More Light) und „Guilty All the Same" (The Hunting Party).
Linkin Park – Heavy

Linkin Park – Guilty All The Same

Wie bist du die Gestaltung deiner Grooves angegangen?
Ein gutes Beispiel dafür ist der Song „Talking to Myself“. Er beginnt mit einem schnellen, treibenden Beat, fast wie unser Lied „Bleed it Out“, und wechselt dann ins Halftime-Feeling. Das erzeugt einen Groove, zu dem du mit dem Kopf nicken willst. Wir mochten diesen Kontrast. Bei den Aufnahmen zu diesem Lied habe ich quasi gleichzeitig geschrieben, gejammt und aufgenommen. Mike stand mit Kopfhörern neben mir im Drum-Room und hat mich angeleitet, wann ich zum Halftime wechseln soll. Außerdem waren Brad und Chester (Bennington, Gesang) im Abhörraum und gaben mir Hinweise. Es war, als würden wir zusammen jammen, obwohl die Jungs nicht an ihren Instrumenten waren.
Den vollständigen und viele weitere spannende Artikel findet ihr in der DrumHeads!!-Ausgabe 4/17.